Kurzfristige Sorgen, langfristige Hoffnungen

 24.08.21

Der Aktienmarkt und seine moderne Kurzfristigkeit – was heute gesagt und geschrieben wird, muss morgen schon nicht mehr gelten. Momentan brodelt es im Umfeld der Börsen, nicht heftig, eher leise. Immer mehr Anleger werden sich nach dem Sommerhoch der (latenten) Risiken bewusst, reagieren bisher aber nur verhalten. Infolgedessen hat sich die Stimmung spürbar verschlechtert, während sich die Kursschwäche noch in Grenzen hielt. Ich leite davon ab, dass uns stärkere Bewegungen drohen und kurz- bis mittelfristig Aktienprognosen somit auf einem eher wackligen Bode stehen.

Die Sentiment-Forscher von Sentix haben in ihrem Wochenrückblick die undurchsichtige Lage beschrieben: Die Stimmung für Aktien ist in der Eurozone deutlich eingebrochen: Das Sentiment-Barometer für den Euro Stoxx 50 reagierte sehr heftig auf die jüngste Kursschwäche und verlor binnen Wochenfrist 45 Prozentpunkte. Dies war die erste deutlichere Stimmungseintrübung seit Ende Januar 2021. Zuvor hatten die Anleger wenig Emotionen gezeigt. Die Lethargie an den Aktienmärkten war in Anbetracht neuer Allzeithochs in den Aktienindizes ein außergewöhnliches Phänomen.

Aus konträrer Analysesicht reizt ein solches Stimmungsextrem zum antizyklischen Kauf. Testet man die Sentix-Datenhistorie auf ein vergleichbar negatives Sentiment, werden Ertragsaussichten von durchschnittlich 5,5% auf Sicht der nächsten zehn Wochen angezeigt. Ein zweiter Blick auf die Veränderungsdynamik zeigt aber ein weiteres Detail: Ein vergleichbar starker Sentiment-Abriss deutet auf eine nochmalige Kursbelastung in den nächsten zwei bis drei Börsenwochen hin. Eine vergleichbare Situation im Anlegerverhalten gab es erst drei Mal in der 20-jährigen Sentix-Historie. Der durchschnittliche Kursverlust betrug 3,1%. Fazit: Die aktuellen Stimmungsdaten stellen kurzfristig eine Belastung für die Märkte dar und werden erst auf Sicht von sechs bis acht Wochen zum Ertragsmotor.

Um die Verwirrung noch größer zu machen, sei das Ergebnis der heutigen Technischen Analyse von Martin Utschneider (Donner & Reuschel) zitiert: Der deutsche Leitindex hat sich stabilisiert und der weitere Wochenverlauf wird aller Wahrscheinlichkeit nach erfreulich ausfallen. Das mittelfristige 16.200er Ziel besteht weiterhin.

Das mag vielen von Ihnen, geschätzte Anleger, allzu unklar erscheinen. Das ist auch nachvollziehbar. Aber solche Markt- und Stimmungsanalysen (die es wie am laufenden Band gibt) zeigen insbesondere mit der kurz- bis mittelfristigen Perspektive auf, wie dicht Chancen und Risiken beieinander liegen können. Das zentrale internationale Thema der letzten Monate – Inflation und monetärer Kurswechsel der Fed – bremst zwar die Aktienkurse auf dem weiteren Weg nach oben. Mehr aber noch nicht. Jetzt kommen Corona-Wiederausbreitung, Afghanistan-Konflikt und Bundestagswahl-Fragezeichen als Unsicherheitsfaktoren hinzu. Die spätsommerlichen und herbstlichen Börsenwochen können uns also einiges an Überraschungen beschweren. Langfristige Anleger mögen gelassen bleiben, denn mit Blick auf 2022 und die Jahre danach werden sich Dow, Dax & Co. weiter nach oben orientieren.