Anleger sollten auch in Geduld investieren

 14.08.22

Aktienmärkte im Aufwind – doch für wie lange? fragte sich zum Wochenausklang ein großer internationaler Vermögensverwalter. Andere Profis grübeln ähnlich. Man ist bereit, zumindest kurzfristig (mit Blick auf die nächsten Wochen) im bullischen Lager zu verharren. Aber dann? Einmal mehr habe ich versucht, im Verhalten und in den Empfehlungen der marktbestimmenden Großanleger des In- und Auslands eine klare Linie zu erkennen. Vergeblich. Unterm Strich sehe ich eher vorsichtig-uneinheitliche Akteure, die andererseits aber nicht von ausgeprägter Rezession- und Crash-Angst geleitet werden. Nur fehlen Ihnen, geschätzte Anleger, damit die Wegweiser.

Eine typische Zwischenbilanz: Der Inflationsdruck in den USA lässt nach und gibt den Aktienmärkten Auftrieb. Kurzfristig zeigt sich das Bild also rosig und die Märkte erholen sich. Doch die Inflation bleibt auf allen Märkten eine große Herausforderung. Und die Situation rund um Taiwan zeigt deutlich, dass die Spannungen mit China schnell zu einem (Wirtschafts-)Krieg führen könnten. Der August könnte dennoch ein schwieriger Monat für die Aktienmärkte sein, denn er ist von geringer Liquidität und erhöhter Krisenanfälligkeit gekennzeichnet. Aber die großen Indizes verfügen jetzt über Schwung und die technischen Aussichten sind günstig. Trotz der unveränderten Rhetorik der Fed hat diese Veröffentlichung den Anlegern Hoffnung bereitet, dass sich das Tempo der Zinserhöhungen in den USA verlangsamen wird und dass die prophezeite weiche Landung möglicherweise doch nicht so illusorisch ist wie befürchtet. Die globalen Märkte reagierten zwar positiv auf diese Nachricht, doch bleibt die Inflation auf allen Märkten eine große soziale Herausforderung. Millionen Menschen auf der ganzen Welt stehen schwierige Zeiten bevor, unabhängig davon, ob die Inflation ihren Höhepunkt erreicht hat oder nicht. Großbritannien und Europa (an diese Trennung muss man sich noch gewöhnen) haben ihre eigenen Herausforderungen, welche die Inflation verschärfen und das Wachstum weiter dämpfen werden: Hier bleibt das Bild düster.

Zurückhaltend deshalb auch führende Schweizer Adressen: Das Anlagekomitee der Credit Suisse hat beschlossen, Aktien von einer taktischen Übergewichtung auf eine neutrale Allokation anzupassen, während Schwellenländer-Hartwährungsanleihen weiterhin übergewichtet werden, da Staats- und Unternehmensanleihen aus diesen Ländern immer noch einen attraktiven Renditevorteil bieten. Begründung: Die Weltwirtschaft steht vor einer Phase schwachen Wachstums, und sowohl die Eurozone als auch Großbritannien dürften in den kommenden Quartalen in eine Rezession abrutschen. Für die USA gehen die Eidgenossen immer noch davon aus, dass eine „richtige“ Rezession mit steigender Arbeitslosigkeit abgewendet werden kann. Dass es trotzdem zu einem solchen Ergebnis kommt, scheint allerdings wahrscheinlicher als üblich. Auch ohne Rezession dürften die Unternehmensmargen unter Druck geraten, da die Preissetzungsmacht abnehmen und die Lohnkosten gleichzeitig stark steigen werden. Im Fall einer richtigen Rezession könnten die Gewinne erheblich sinken, glauben die Analysten, insbesondere weil sich die Margen immer noch nahe an Rekordwerten bewegen.

Wer so oder ähnlich denkt, liebe Leser, sollte sich entsprechend vorsichtig verhalten. Neben dem ganz kurzfristigem Trading (wer es mag) bietet sich für aktive Anleger das engagierte Stockpicking von fundamental erstklassigen Qualitätswerten an, die auch in einer schwierigen weltwirtschaftlichen Lage glänzende Zahlen präsentieren. Wer Wertsteigerung sucht, sollte jedenfalls (auch) in Geduld investieren – ich zweifle nicht am langfristigen Erfolg der Aktienanlage (mindestens zehn Jahre) mit überdurchschnittlichen Renditen. Das heißt, Sie können sich dann gelassen auf Aktien- und Fondssparpläne konzentrieren.