07.08.22
Was bewegt und was bremst die Börsen? Eine befriedigende Antwort kann ganze Bücher füllen. Aber selbst Fachliteratur und aktuelle Studien liefern nicht allgemein überzeugende Konzepte für die Strategie am Aktienmarkt. Deshalb weise ich immer wieder auf die entscheidende Bedeutung des individuellen Ausgangspunkts und der individuellen Zielsetzung hin. Es liegt doch auf der Hand (Achtung, Beispiel), dass ein 20-jähriger Börseneinsteiger mit einer Erbschaft von 100.000 Euro andere Wegweiser braucht als ein 40-jähriger Unternehmer, der schon seit Jahren mehr als 10 Millionen Euro in Aktien und Gold investiert hat. Allein die Frage, wie lange das für die Anlage bereitstehende Vermögen seine Kaufkraft möglichst behalten oder seinen Wert vermehren soll, erlaubt unendlich viele uneinheitliche Reaktionen. Eine Entscheidungshilfe kann sein, die (extrem komplexen und komplizierten) Dinge rücksichtslos zu vereinfachen. Das soll hier geschehen.
Anders der Faktor Geopolitik: Der sollte nach der russischen Aggression in der Ukraine für das Börsengeschehen aufgewertet werden – jetzt umso mehr durch den verschärften Taiwan-Konflikt zwischen China und den USA. Denn dabei geht es auch um das chinesisch-russische Verhältnis, werden Krisengebiete in Nahost und Afrika berührt. Unterm Strich droht eine nachhaltige Verschlechterung der Ost-West-Beziehungen, wächst die Gefahr einer militärischen Eskalation. In unserer Bevölkerung breitet sich schon Sorge über einen Weltkrieg aus. Von (atomarer) Abrüstung ist keine Rede mehr – im Gegenteil. Dieser Themenkomplex berührt die Menschen immer mehr, hat aber noch keinen deutlichen Einfluss auf die Kurse am Aktienmarkt genommen.
Ich behaupte: Das geopolitische Risikopotenzial ist inzwischen so groß, dass es über Nacht eine Finanz- und Börsenkrise auslösen kann. Jüngste Umfragen und andere Beobachtungen bestätigen, dass ein Teil der Anleger (Profis und Private) sein Verhalten bereits verändert – vor allem mehr Zurückhaltung mit neuen Engagements übt. Selbst vorsichtige Bundesbürger denken darüber nach, sich auf einen Weltkrieg vorzubereiten, indem sie Bargeld horten oder in Gold tauschen und Euros verlassen, um in Fluchtwährungen (US-Dollar, Schweizer Franken, Norwegische Kronen) zu wechseln. Entscheiden Sie, geschätzte Anleger, ob auch Sie Ihre Strategie verändern wollen! Ein Typ Privatanleger sei ausdrücklich ausgenommen: Wer durch Aktien- und Fondssparpläne wirklich ganz langfristig (mehr als zehn Jahre) investiert, kann gelassen bleiben.