KUTZERS ZWISCHENRUF

Look East mit Luxus-Fantasie

16.02.23

Es ist kein Luxus, sich mit Wirtschaft und Börse im Reich der Mitte zu beschäftigen. Und weil westliche Anlagestrategen dazu (fast) wie am laufenden Band weitere Studien mit positiven Vorzeichen vorlegen, komme ich gerne noch einmal auf das China-Thema zurück. Die Londoner Vermögensverwalter von Jupiter Asset Management analysieren jetzt, wie wichtig der China-Faktor für Europas Luxusmarken ist. Im Jahr 2021 war China der drittgrößte Importeur von Waren aus der EU – mit einem Anteil von 10 Prozent – und der größte Exporteur von Waren in die EU (22 Prozent). Kurzfristig konnten höhere Covid-Infektionsraten zwar zu Lieferkettenstörungen führen. Der Abbau von Beschränkungen sollte jedoch helfen, mittelfristige Produktions- und Lieferengpässe zu reduzieren.

Ein für europäische Unternehmen besonders interessanter Bereich sind Luxusgüter. Laut einer Studie von Bain und Company machten chinesische Verbraucher im Vor-Pandemie-Jahr 2019 ein Drittel des weltweiten Umsatzes mit Luxusgütern für den Privatgebrauch aus. Im Jahr 2022 betrug ihr Anteil nur noch 18 Prozent. Die allermeisten der großen Luxusmarken und -unternehmen sind in Europa beheimatet. Klare Nummer eins ist die französische LVMH, ein börsennotierter diversifizierter Luxusgüterkonzern mit einem weltweiten Umsatz von 64 Mrd. Euro im Jahr 2021. Obwohl der Umsatzanteil der chinesischen Käufer am Luxusmarkt im Jahr 2022 geschrumpft ist, wird erwartet, dass die Luxusmarken von der größeren Mobilität und den höheren Sparquoten der chinesischen Konsumenten profitieren werden. Bain geht davon aus, dass sich die Nachfrage bereits in diesem Jahr wieder erholen wird, und prognostiziert, dass bis 2030 circa 38 bis 40 Prozent des weltweiten Luxusgüterumsatzes auf chinesische Konsumenten entfallen werden – mehr als auf jede andere Nation!

Auch Premium-Spirituosenmarken könnten von der erhöhten Kauf- und Schenkfreudigkeit profitieren. Einheimische Spirituosen wie Baijiu haben zwar nach wie vor einen großen Umsatzanteil am chinesischen Markt für alkoholische Getränke. Eine wachsende einkommensstarke Bevölkerung hat jedoch in den letzten Jahren auch zu einem Anstieg des Absatzes von importierten Spirituosen geführt. Das gilt insbesondere für Brandy, Whiskey und seit kurzem auch für Wodka. Europäische Unternehmen dominieren auch in diesem Segment die Exporte nach China. Insbesondere beim Cognac besitzen Pernod Ricard, LVMH und Remy Cointreau drei der größten Marken, die in der Region steigende Umsätze verzeichnen konnten.

Die Deutsche Bank nennt noch weitere Argumente. Aktien von Luxusmarken haben 2023 bereits um 17 Prozent zugelegt. Anleger erwarten, dass das Ende der Null-Covid-Politik in China – dem größten Wachstumsmarkt der Branche – Nachfrageimpulse bringt. Jüngste Daten bestätigen die Hoffnungen. In Hainan lagen die täglichen Luxusumsätze während des Neujahrsfests bei umgerechnet 48 Millionen Euro – dreimal so hoch wie vor der Corona-Pandemie. Besonders positiv zu bewerten: Das Reiseaufkommen zwischen chinesischen Städten lag zuletzt wieder bei 80 Prozent des Vor-Pandemie-Niveaus. Schließlich befinden sich 85 Prozent der Luxus-Boutiquen in Metropolstädten – mehr als die Hälfte der Kunden leben jedoch in kleineren Städten. Gleichzeitig liegen die Ausgaben chinesischer Touristen in Europa immer noch knapp 90 Prozent unter dem Niveau von 2019. Mit Rückkehr der chinesischen Reisenden dürfte sich diese Lücke jedoch bald schließen. Der Luxussektor wird aktuell mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 25 gehandelt – etwas über dem zehnjährigen Durchschnitt von 22,5, aber deutlich unter dem 2021er Hoch bei 40. Fazit des Deutsche-Bank-Chefstrategen Ulrich Stephan: „Der Sektor besitzt in meinen Augen noch Kurspotenzial.“