Börsenbilanz Januar: Die Propheten sind wieder einmal zu vorsichtig

02.02.15

Das Dax-Ziel per Ende 2015 ist bereits erreicht – nach dem ersten Monat. Für mich ein gutes Omen. Gut 9 Prozent Steigerung, das hatten die Experten der Banken nicht erwartet. Zur Erinnerung: 10.706 Punkte war der Durchschnitt der Vorhersagen für 2015, die das Handelsblatt bei 35 in- und ausländischen Banken traditionell zum Jahreswechsel einholt. Damit stellt sich zum zigten Mal die Frage nach dem Sinn und Unsinn derartiger Prognosen. Antwort: Sie taugen meistens nichts und müssen immer wieder revidiert werden – wird brauchen sie dennoch.

Die Marktkommentare von Daniel Zindstein, Portfoliomanager des Vermögensverwalters Gecam, lese sich besonders gern. Deshalb zitierte ich seine gerade vorgelegten Anmerkungen dazu: „Meistens treffen die Kapitalmarktprognosen zum Jahreswechsel im Nachhinein betrachtet nicht zu. Besonders auffällig ist es, wenn nicht einmal die Richtung stimmt, wie dies seit Jahren und bald Jahrzehnten auf Zinsprognosen zutrifft. Betrachtet man die Aktienmarktprognosen, bewegen sich diese meist im Mittelwert langjähriger Marktentwicklungen. Wer zum Beispiel 1964 deutsche Aktien (Rückrechnung Dax) kaufte und Ende 2014 verkaufte, erzielte eine jährliche Rendite von durchschnittlich 7,3 Prozent. Um es nicht zu langweilig werden zu lassen, schlagen die Prognostiker erfahrungsgemäß etwas drauf und sagen 10 Prozent Zuwachs voraus. Genau so war es dieses Jahr. Meistens bewegen sich Aktienmärkte viel stärker, also zweistellig im Plus oder zweistellig im Minus. In den letzten 50 Jahren veränderte sich der deutsche Aktienmarkt nur 15 Mal im einstelligen Bereich, in den letzten 10 Jahren sogar nur einmal, nämlich im vergangenen Jahr.“

Kein noch so starker „Bulle“ wird nach dem Januar erwarten, dass es mit unseren Aktienkursen so weitergeht. Andererseits können auch die ewigen Bedenkenträger unter den institutionellen Strategen, von denen es bis vor kurzem noch jede Menge gab, dem Aufwärtstrend nicht länger nur zuschauen. Vor allem bei einer zunehmenden Verbesserung der fundamentalen Wirtschafts- und Unternehmensdaten in Europa werden immer mehr Fondsmanager ihre Skepsis aufgeben. Denn es gibt dann auch aktuelle realwirtschaftliche Argumente für die Aktie, nicht nur den Liquiditätsfaktor und fehlende Alternativen angesichts der Null-Zins-Repression.

Dazu passt, dass in den vergangenen Tagen auffallend viele Plädoyers für die Aktienanlage gehalten worden sind, so zum Beispiel auf dem Mannheimer Fondskongress. Mehrheitlich wird dabei auch die Ansicht vertreten, dass europäische Aktien Nachholbedarf gegenüber der Wall Street haben. So stellte auch Allianz Global Investors in ihrem Wochenendbrief die Frage: „Steht eine Renaissance europäischer Aktien bevor?“ Die Argumente dafür verdichten sich.

In der ersten Februarwoche werden Dax-Anleger den Blick wohl vor allem auf Unternehmenszahlen richten. Während in Amerika bereits rund die Hälfte der Firmen ihre Zahlen für 2014 vorgelegt haben, nimmt europaweit und hierzulande die Berichtssaison erst richtig Fahrt auf. Und die Marktteilnehmer hoffen auf positive Überraschungen durch die Unternehmenszahlen. Auch Konjunkturdaten dürften in der neuen Woche wieder verstärkt ins Rampenlicht rücken. Positiv überraschen könnten dabei ebenfalls vor allem Wirtschaftsdaten aus Europa.

Man kann seinen Optimismus auch so intelligent formulieren, wie es Dr. Manfred Schlumberger (BHF Trust) vergangene Woche getan hat: „ … Doch wie sagte schon Martin Luther: ‚Und selbst wenn ich wüsste, dass die Welt morgen zugrunde geht, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.‘ Übersetzt in die Welt der Kapitalmärkte von heute lautet der Satz: ‚Selbst wenn ich wüsste, dass die ganze Sache nicht gut ausgehen kann, würde ich heute noch Aktien kaufen.‘ Zwar steigt in der fortgeschrittenen Phase einer Hausse das Risiko ausgeprägter Korrekturen, aber es steigt auch die Chance auf erkleckliche Gewinne; denn das Beste kommt bekanntlich zum Schluss!“

Mein Appell: Werden Sie zu „Aktien-Missionaren“!

Meine persönliche Hoffnung ist es, dass die Kursentwicklung selbst zum Motiv für ein stärkeres Interesse der Bundesbürger an der Aktienanlage wird. Erste Anzeichen dafür gibt es bereits. Das wiederum würde die Maßnahmen zur Förderung der Aktie in Deutschland stark unterstützen. Gerade jetzt haben vier große Direktbanken mit Begleitung der Frankfurter Börse eine „Aktion pro Aktie“ angekündigt – eine Idee, die ich schon seit vielen Monaten in Wort und Schrift propagiert hatte (leider ohne das gewünscht große Echo). Dass dazu ein „Tag der Aktie“ am 16. März gehört, an dem in Frankfurter Aktien des Dax kosten- und gebührenfrei gekauft werden können (nur gekauft!), ist ein netter Gag, mehr nicht. Denn die Aversion der Deutschen gegenüber der Aktie resultiert ja nicht aus den anfallenden Kosten.

Aktionen wie diese müssen weit über einen Tag der Aktie hinausgehen, müssen breiter und tiefer sein. Und sie müssen den langfristigen Charakter der Aktienanlage unterstreichen, wie dies der TM Börsenverlag seit jeher tut. Ich bekräftige bei dieser Gelegenheit meinen Appell an Sie, geschätzte Anleger, sich als „Aktien-Missionare“ zu engagieren, d.h. Ihre positiven Erfahrungen und Marktkenntnisse Freunden und Bekannten nahe zu bringen.

Machen Sie langfristig weiter mit – und machen Sie’s gut!