Aktienmärkte: Dax als Spielball von Bullen und Bären

11.06.15

Wer ist stärker – die Bullen oder die Bären? Das Zwischenergebnis ist ein Unentschieden, bei dem beide Lager nicht nur harte Argumente ins Feld führen. Deshalb haben auch die nervösen Kursschwankungen an den Finanzmärkten angehalten, ebenso wie die mitunter lächerlichen Versuche der Börsenberichterstatter und der von Ihnen befragten Händler, die tägliche Volatilität klar zu begründen.

Ich bleibe dabei: Die „Grexit“-Chronologie ist für die internationale Aktienstrategen keinesfalls das zentrale Thema. Hierzulande unterschätzt man einfach den großen Einfluss der sich jetzt verdichtenden Zinssteigerungsdiskussion in den USA. Denn wir erreichen mit dem Sommer 2015 den Zeitraum, für den seit Jahren das historische Wendesignal der Fed erwartet wird, von dem niemand weiß, ob es auch für den Aktienmarkt das Ende der mehrjährigen Hyper-Liquiditäts-Hausse sein könnte. Inzwischen gibt es ja – abhängig von aktuellen Konjunktur-, Inflations- und Arbeitsmarktdaten – auch Spekulationen, die erste Anhebung der Leitzinsen durch die US-Notenbank könnte im September oder gar im Frühjahr 2016 erfolgen. Und die EZB? In Europa werden jüngste Draghi-Äußerungen teilweise als Hinweis interpretiert, dass die Zinswende bei uns früher als bisher angenommen gestartet werden könnte – vielleicht doch schon im Verlauf des kommenden Jahres.

Der Ausverkauf an den Rentenmärkten hat jedenfalls einen Vorgeschmack geliefert. Und der Euro zeigt wieder erstaunliche Muskeln. Ich bin überzeugt, dass wir uns jetzt endgültig der schon seit mehr als einem Jahr immer wieder einmal aufflammenden Frage widmen müssen, wie stark die Aktienmärkte (noch) reagieren werden, wenn Fed-Chefin Janet Yellen die erste Leitzinserhöhung bekanntgeben wird. Das kann, wenn sich die Spekulationen an der Wall Street weiter verdichten, schon in den Tagen unmittelbar zuvor zu Turbulenzen führen. Viel wird davon abhängen, ob die großen Institutionen dann umgehend eine Änderung ihrer Asset Allocation einleiten werden.

Das heißt übrigens nicht, dass ich von meiner betont bullischen Haltung (ich verwende ab jetzt die eingedeutschte Schreibweise, d.h. auch „bärisch“ statt „bearish“) auf längere Sicht Abstriche machen würde. Kurzfristig bleibt der Dax aber ein Spielball, weil sich die marktbestimmenden Kräfte eher wie Trader verhalten. Das zeigt auch der gestrige Wochenbericht der Frankfurter Sentiment-Analysten.

Die befragten Anleger reagieren völlig unterschiedlich auf die jüngste Kursbewegung. Den professionellen Investoren scheint die Korrektur genug zu sein, 10 Prozent haben Dax-Aktien gekauft, 9 Prozent bestehende Short-Engagements dicht gemacht. Der Sentiment-Index für diese Anlegergruppe steht mit +26 Punkten auf einem Jahreshoch. Der zuständige Verhaltensanalyst Joachim Goldberg sieht hinter den Verkäufen Gewinnmitnahmen, auf die die Bären drei Wochen gewartet hätten, ist aber angesichts der schlechten Nachrichtenlageallerdings erstaunt über die Käufe der Bullen. Die Privatanleger hätten sich dagegen einschüchtern lassen. 2 Prozent haben ihre Aktien verkauft und 5 Prozent sind short gegangen. Der Sentiment-Index steht hier bei +8 Punkten zwar immer noch im optimistischen Bereich, aber deutlich unter dem der Profis. Goldberg diagnostiziert eine Schieflage. Bei Kurssteigerungen würden wahrscheinlich Gewinnmitnahmen der jüngsten Käufer den Markt bremsen und bei weiteren Verlusten könnten eben diese wieder verkaufen, wenn sie eine Notbremse ziehen.

Zwei typische Meinungen beschreiben das vorläufig weiter geltende Spannungsfeld. Der Skeptiker mahnt, nicht das Thema Griechenland stecken hinter den aktuellen Kursturbulenzen. Vielmehr seien es die Vorgänge in den USA, die auf den Finanzmärkten lasten. Und sollte es tatsächlich bald zu einer ersten Leitzinsanhebung kommen, dann werde der Dollar noch stärker und entsprechend würden sich die Ertragsprobleme vieler US-Unternehmen vergrößern.

Der Optimist sieht noch keinen entscheidend veränderten Horizont. Der Dax sei zwar zuletzt reichlich zappelig, mit Blick auf die Zukunft sei seine Korrektur aber überzogen, denn an der Alternativlosigkeit der Aktien habe sich ja nichts Wesentliches geändert. Dabei wird an eine im Tagesgeschehen manchmal vergessene Tatsache erinnert: Die Dax-Aktien sind überwiegend in ausländischer Hand. Und unser Leitindex wird international als Spekulationsobjekt geliebt, weil die Liquidität hoch ist.

Neuer „boerse.de-Aktienbrief“: Warum Langeweile gut ist

Sind solche volatilen Seitwärtsphasen für den privaten Anleger eher abschreckend? In der soeben vorgelegten neuen Ausgabe des „boerse.de-Aktienbrief“ widmet sich Herausgeber Thomas Müller diesem Thema: Für ein solide strukturiertes Depot sollte Langeweile sogar der Normalzustand sein. Und dabei sind es gerade die besonders langweiligen Champions, die Ihnen mit dem geringstmöglichen Aufwand und der höchstmöglichen Wahrscheinlichkeit die konstantesten Depotzuwächse bescheren, weshalb solche Langweiler auch das höchste Gewicht in Ihrem Depot erhalten sollten. Zur Unterscheidung: Während Apple mit seinen Blockbuster-Produkten zu den aufregendsten und faszinierendsten Champions gehört, ist der Multimarkenkonzern Nestlé einer der langweiligsten Titel überhaupt. Um Ihre Apple-Aktie müssen Sie sich aber „kümmern“ (also aufgrund der erhöhten Verlust-Ratio die 200-Tage-Linie im Auge behalten), wohingegen Sie Ihre Nestlé-Aktien auch noch an die nächsten Generationen weiterreichen können. Denn Apple hat stets ein hohes Überraschungspotenzial, Nestlé so gut wie keines. Deshalb: Champions sollten die Basis Ihres Aktienportfolios bilden und defensive Langweiler-Champions das Fundament. Denn mit Defensiv-Champions wie Nestlé, aber auch beispielsweise Colgate-Palmolive oder Fielmann können Sie nicht viel falsch machen – nur durch Ungeduld.

Machen Sie also weiter mit – und machen Sie’s gut!