Finanzmärkte: Der Hürdenlauf vor Griechenland und Fed

15.06.15

Wetten, dass es keinen „Grexit“ geben wird? Wetten, dass man sich mit Griechenland einigen wird, wann und wie auch immer? Außerdem halte ich an meiner These fest, dass die entscheidende Bewährungsprobe für die Aktienmärkte durch die näher rückende Zinswende in Amerika kommen wird – nicht etwa (oder nur zeitweise) durch die Verlängerung der Hellas-Verhandlungen. Die gestrige erneute Unterbrechung fördert natürlich die allgemeine Verunsicherung. Dadurch nimmt die Volatilität der Märkte weiter zu. Die Kursentwicklung ist unberechenbar geworden.

Ich teile weitgehend das folgende Szenario, das man so oder ähnlich am Wochenende lesen konnte: Die kommenden Wochen haben für die Märkte schwer verdauliche Kost parat. Nicht nur, dass die Ende Juni anstehende Rückzahlung Griechenlands an den Internationalen Währungsfonds IWF wahrscheinlich nicht bzw. nur mit größter Mühe geleistet werden dürfte – nein, vielmehr wird die US-Notenbank Fed bald (das kann auch im Herbst sein) mit einer ersten Leitzinserhöhung den Exit aus ihrer langjährigen Krisenpolitik beginnen. Entsprechend werden die Marktakteure bis in die zweite Jahreshälfte hinein hoch nervös und angespannt bleiben. Hin- und hergerissen zwischen Hoffen und Bangen werden sie beobachten, ob Griechenland den Klassenerhalt in der Euro-Liga schafft oder ob es ab- bzw. aussteigt. Und die Märkte hoffen und bangen mit Blick auf die in den USA anstehende Leitzinswende. 
 
Dass die Aktienbörsen in der derzeitigen Unsicherheit die schon länger erwartete Korrektur eingelegt haben, verwundert nicht weiter. Nebenbei sei daran erinnert, dass wir seit dem Beginn des Krisenmodus 2007/08 schon eine ganze Reihe von Korrekturphasen hatten. Insofern also kein Anlass zur Panik. Dass aber in diesem Umfeld die Renditen deutscher Staatsanleihen mit 10-jähriger Laufzeit innerhalb kürzester Zeit auf fast 1 % steigen würden, das hatte wohl kaum jemand auf dem Radar. Es zeigt sich, dass die Rentenmärkte durch die Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank und durch die schärfere Regulatorik weniger liquide und damit sehr schwankungsanfällig geworden sind. In Kombination mit der hohen Nervosität der Marktakteure führt das zwangsläufig zu hohen Kursausschlägen. 
 
Was folgt aus all dem für die Anleger? Die Phase extrem niedriger Kapitalmarktrenditen ist vorbei, es hat so etwa wie Normalisierung (eigentlich verbietet sich dieser Begriff in unserer verrückten Zeit) begonnen – begonnen sei dick unterstrichen. Denn die Zinswende wird sich sehr langsam vollziehen. Die Zinsen bleiben also noch lange sehr niedrig – und damit bleiben Aktien die attraktivere Anlageklasse.

Der von mir sehr geschätzte Dr. Ulrich Stephan, Chefstratege der Deutschen Bank, hat heute Morgen geschrieben: „Das wird eine Woche der Wahrheit, nicht nur für die wichtigsten Zentralbanken der Welt. Die Fed könnte am Mittwoch den Grundstein legen für eine Zinswende im September. Einen Tag vorher entscheidet der EuGH, ob das erste EZB-Anleihekaufprogramm rechtens war. Zugleich nähert sich das Euro-Endspiel der Griechen dem Abpfiff. Angesichts derart unklarer Aussichten würde ich am Kapitalmarkt nicht den Helden spielen: Bei so bedeutenden Entscheidungen scheinen Kursausschläge fast schon sicher.“
Mit anderen Worten: Es könnte bei Dax und Dow noch deutlicher bergab gehen. Zumindest in dieser Woche, geschätzte Leser, sollte man sich auf die Tribüne setzen und zuschauen. Längerfristig bleibe ich dabei: Der Bullen-Markt ist nicht beendet (ich weiß, dass dies von anderen inzwischen anders gesehen wird). Die Kursdelle der Aktien, so tief sie auch werden mag, kann noch in der zweiten Jahreshälfte zumindest wieder ausgeglichen werden.

Neuer „boerse.de-Aktienbrief“: Technik gewinnt an Brisanz

Mein Kollege Jochen Appeltauer, Chefredakteur des „boerse.de-Aktienbrief“, liefert in der neuen Ausgabe eine umfangreiche Analyse von Dow und Dax. Darin kommt er zu einem unverändert bullischen Ausblick. Seine Einschätzung: An der Wall Street dürfte nach dem nervigen Seitwärtsgeschiebe der vergangenen Wochen und Monate schon bald eine Entscheidung fallen. Dabei spricht neben dem in der vorigen Ausgabe gezeigten typischen Verlauf von 5er-Jahren auch der Präsidentschaftszyklus für die positive Variante. Denn in Vorwahljahren – 2016 wird bekanntlich über den Nachfolger von Barack Obama im Weißen Haus abgestimmt – zeigen die Richtungspfeile für den Dow Jones bis zum Spätsommer nach oben. Aus diesem Blickwinkel bestehen also gute Voraussetzungen, dass der Dow Jones demnächst wieder seine Funktion als Lokomotive der Weltbörsen übernimmt, was dann natürlich auch unseren Champions in die Karten spielen sollte. Dennoch: Einsätze vom Tisch nehmen. Bis die Börsen-Ampeln beim Dax und an der Wall Street wieder auf Grün springen, empfiehlt es sich, das Cash-Polster zunächst einmal aufzustocken. Denn in den vergangenen 14 Tagen setzte unser Champions-Oszillator von zuletzt 82% wieder deutlicher auf 69% zurück. Dementsprechend sollten Langfristanleger jetzt wieder 31% ihres Kapitals als Cash halten und zu 69% in Champions investiert sein. Daher agieren wir auch in unserem aktuellen Basis-Depot mit angezogener Handbremse. 
 
Machen Sie also weiter mit – und machen Sie’s gut!