Konjunktur? Nichts Genaues weiß man nicht

 07.09.21

Wo steht unser Land? Wohin und wie soll es künftig geführt werden? Was heute (zeitweise vehement) im Bundestag debattiert wurde, lässt sich auch auf die Wirtschaft übertragen. Fasst man dazu die jüngsten Analysen und Zahlen zusammen, so erhält man keine zuverlässige Antwort: Zwar wird die Lage insgesamt positiv beurteilt, doch hat sich die Einschätzung der Aussichten eingetrübt. Typisch auch die spontanen Reaktionen von Volkswirten auf das neue ZEW-Konjunkturbarometer: Die Skepsis der Marktteilnehmer nimmt zu, ein Konjunktureinbruch in den kommenden Monaten ist aber unwahrscheinlich. Und: Der Konjunkturmotor brummt zwar, aber er läuft (noch) nicht rund.

Die Konjunkturerwartungen für Deutschland sinken in der aktuellen Umfrage der Mannheimer Forscher vom September zum vierten Mal in Folge. Das stört das helle Bild. Denn die Einschätzung der konjunkturellen Lage verbessert sich erneut – seit Februar ist der Lageindikator ununterbrochen gestiegen. Die Finanzmarktexperten gehen zwar noch von einer weiteren Verbesserung der wirtschaftlichen Lage aus. Das erwartete Ausmaß und die Dynamik der Verbesserung haben sich inzwischen jedoch erheblich reduziert. Der Chipmangel im Fahrzeugbau und die Ressourcenverknappung in der Bauwirtschaft haben zu einem deutlichen Rückgang der Ertragserwartungen dieser Branchen geführt. Dies dürfte sich auch negativ auf die Konjunkturerwartungen ausgewirkt haben.

An der Umfrage im Rahmen des ZEW-Finanzmarkttests haben sich 164 Analysten und institutionelle Anleger beteiligt.

Die jüngste Konjunkturstatistik liefert ebenfalls kein klares Bild. Denn die deutsche Wirtschaft hat ihre Produktion im Juli trotz Engpässen bei wichtigen Vorprodukten gesteigert und damit eine Negativserie gestoppt. Industrie, Bau und Energieversorger stellten zusammen 1,0 Prozent mehr her als im Vormonat, wie das Bundeswirtschaftsministerium mitteilte. Das war die erste Steigerung nach zuvor drei Rückgängen in Folge und überhaupt erst das zweite Plus in diesem Jahr. Trotz des Anstiegs liegt die Produktion aber noch 5,5 Prozent niedriger als im Februar 2020, dem Monat vor dem Beginn der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie.

Kein Wunder, dass von den professionellen Vordenkern momentan kaum Konkretes zur Börse verbreitet wird. Ich würde den gesamtwirtschaftlichen Urteilen auch nicht trauen. Jedenfalls bleibt für den Rest des Jahres und die ersten Monate 2020 alles offen – in beide Richtungen. Die Aktiengesellschaften veröffentlichen ohnedies schon seit längerem ganz unterschiedliche Lageberichte, was sich in entsprechend uneinheitlichen Kursreaktionen widerspiegelt. Dieses Geschehen dürfte noch einige Zeit lang anhalten, bevor sich ein breiter, klarer und solider Trend am Aktienmarkt wieder entwickeln kann.