Die Fed ist nicht das Problem

 04.11.21

Ein Lob der amerikanischen Notenbank. Sie handelt verantwortungsbewusst und mit Fingerspitzengefühl. Wichtig dabei: Sie bereitet die sensiblen Finanzmärkte frühzeitig auf ihre nächsten monetären Schritte vor. Deshalb ist die gestern beschlossene Drosselung der Anleihekäufe keine Überraschung mehr für Banken und Börsen. Mit anderen Worten: Das Fragezeichen ist weg, ein Ausrufezeichen nicht erforderlich – es reicht der Punkt.

Wie erwartet hat die Federal Reserve entschieden, das Anleiheankaufprogramm ab Ende des Monats zurückzuführen. Die monatlichen Käufe von aktuell 120 Milliarden Dollar sollen jeden Monat um 15 Milliarden Dollar reduziert werden – 10 Milliarden Dollar in US-Treasuries und 5 Milliarden Dollar in hypothekenbesicherten Papieren. Die Fed begründet den Schritt mit der günstigen ökonomischen Entwicklung, weist aber darauf hin, dass es keinen Automatismus gebe, sollte sich der Ausblick ändern. Die Inflation sei momentan höher als erwartet, jedoch sehen sie die Währungshüter weiterhin als vorübergehend an. Entsprechend weist die Fed explizit darauf hin, dass das wahrscheinliche Ende des Kaufprogramms im Sommer 2022 keinen Hinweis auf Zinsänderungen gebe. Der Markt rechnete mit zwei Zinssteigerungen im kommenden Jahr. Typisch die Stellungnahme von Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege der Deutschen Bank: „Da die Fed weiterhin vorsichtig und zurückhaltend bleibt, reagierten die Kapitalmärkte freundlich.“

Und Europa? Bei uns bleibt genug Raum für Spekulationen. Sind die Marktteilnehmer zu optimistisch geworden? Die am Markt eingepreisten Inflationserwartungen für den Euroraum haben zuletzt merklich nachgegeben, registriert Stephan. Laut inflationsindexierten Bundesanleihen wird auf Sicht von zehn Jahren aktuell eine durchschnittliche Preissteigerungsrate von 1,67 Prozent pro Jahr prognostiziert – Ende Oktober waren es noch 1,96 Prozent. Offensichtlich vertrauen die Märkte darauf, dass die erwarteten geldpolitischen Maßnahmen der Europäischen Zentralbank zur Eindämmung der Inflation im Euroraum ausreichen werden. Die Erwartung einer Inflation von nur 1,67 Prozent p.a. in den kommenden Jahren sieht sehr optimistisch aus. Auch von der EZB regelmäßig befragte Experten erwarten eine höhere Preissteigerungsrate.

So oder so, die Zentralbanken auf beiden Seiten des Atlantiks werden immer wieder viel Stoff für (kursrelevante) Diskussionen und Spekulationen liefern. Denn die zur Verfügung gestellte Geldmange (Liquidität) und der Preis des Geldes (Zins) sind parallel zur fundamentalen Wirtschaftsentwicklung (Unternehmensgewinne) entscheidend für das Börsengeschehen. Sie können bis auf Weiteres gelassen bleiben, geschätzte Anleger, wenn Sie längerfristig auf Aktien setzen und kurzfristige Kursschwächen hinzunehmen bereit sind. Solange die Zentralbanken keine abrupte Wende ihres geldpolitischen Kurses signalisieren, ist auch ein monetär ausgelöster Kurssturz der Aktien unwahrscheinlich.

Nein, mein Sorgenkind hat einen anderen Namen: Corona-Pandemie. Die vierte Welle rollt an. Eine gefährliche Entwicklung – auch für die Börsen!