Geldanlage: Wenn das Sparen zum globalen Dauerproblem wird

Die Gelassenheit, mit der die meisten Bundesbürger die Finanzrepression nach wie vor begleiten, ist eigentlich eine traurige Beobachtung. Das gilt genauso für das überall längst durchgenudelte Problem der zunehmenden Altersarmut. Nicht viel geändert hat sich schließlich an der Aktienaversion, die vor allem von schlechten Erfahrungen ausgelöst wurde. Dazu zwei typische Gespräche mit Nachbarn in der vergangenen Woche, als Neujahrswünsche in einen längeren Dialog mündeten.

Werde ich von einem früheren Angestellten gefragt: „Kriegen Sie auch bald Rente?“ Meine Antwort: „Ja, es ist demnächst soweit.“ „Ich hoffe, Sie haben besser vorgesorgt als ich, denn ich habe echte Probleme, mit den paar Hundert Euro über die Runden zu kommen.“ Ein älterer Ex-Freiberufler, dem ich in gleichem Zusammenhang eine Kurzerklärung der Aktienvorteile gebe, ruft erstaunt aus: „Ach, Sie kennen sich mit Aktien aus? Das ist gut, denn meine verstorbene Frau ist ohne mein Wissen auf so einen Penny-Stock-Promoter reingefallen und hat auch mit anderen Aktien schwere Verluste gemacht. Ich bin jetzt mit weit über 100.000 Euro in den Miesen.“

Richtig investieren, statt falsch sparen – eine Aufgabe für die Aufklärung ohne Ende. Vielleicht kommt die breite Verhaltensänderung, wenn sich herausstellen sollte, dass die aktuell groteske und volkswirtschaftlich schädliche Null-Zins-Situation auch die Folge von grundsätzlichen, strukturellen Veränderungen ist, die langfristig spürbar sein werden. Mir liegen mehrere interessante Betrachtungen dazu auf dem Tisch, Überlegungen von asiatischen und amerikanischen Vordenkern. Die Strategen des unabhängigen Vermögensverwalters Gecam AG sehen ganz ähnliche Perspektiven, die ich Ihnen, geschätzte Anleger, kurz zusammengefasst weitergeben möchte.

Fazit: Die Welt spart sich arm. Investitionen können die Ersparnisbildung nicht absorbieren, was sich mit dem technologischen Fortschritt, der Globalisierung und der Entschuldung begründen lässt. Im sechsten Jahr der Erholung nach der Finanzkrise ist die Weltwirtschaft nach wie vor mit einem auf den ersten Blick vermeintlich als Luxusproblem interpretierten Phänomen konfrontiert: Massive Sparüberschüsse, die nicht in Konsum oder Investitionen fließen, sondern in Vermögenspreise. Die Folgen davon sind deflationäre Tendenzen und unterdurchschnittliches Wirtschaftswachstum in vielen Teilen der Welt.

Bereits seit Beginn der 1980er Jahre sind Effekte zu beobachten, die dem Einsatz von Kapital eine geringere Bedeutung zukommen lassen. Statistisch beobachten lässt sich in der westlichen Welt, dass der Kapitalstock von Unternehmen im Vergleich zum Wirtschaftswachstum stetig abnimmt. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass die Kapitaleffizienz steigt. Das heißt, dass zur Erzielung einer gleichbleibenden Wertschöpfung (also des Gewinns) weniger Kapitaleinsatz notwendig ist. Daraus folgt, dass das Potenzial einer Volkswirtschaft, die Ersparnisbildung in Investitionen und Konsum umzuleiten und somit zu absorbieren, abnimmt.

Besonders interessant, weil langfristig von Bedeutung finde ich die Rolle des technologischen Fortschritt. Er führt nämlich dazu, dass Wertschöpfung heutzutage viel stärker mit dem Einsatz geistigen Potenzials zusammenhängt, als mit Investitionen in Produktionsanlagen. Das heißt, Investmentkapital ist weniger gefragt und wird somit gespart. Und: Mit der massiv zunehmenden Nutzung des Internets für Anschaffungen aller Art wird eine Nachfragemacht wirksam, die kaum Raum für steigende Preise lässt. Gecam wörtlich: „Somit ist das Internet global betrachtet eine Spar- und Deflationsmaschine ersten Ranges.“

Ja, wir leben in einer Niedrig-Inflations-Welt, in einer Niedrig-Zins-Welt sowie in weiten Teilen auch in einer Niedrig-Wachstums-Welt (Europa, Japan, Südamerika). Diese Tendenzen setzen sich 2015 voraussichtlich fort. Notenbanken werden an expansiver Geldpolitik festhalten, was tendenziell Anleihen- als auch Aktienmärkte unterstützt. Amerikanische Insider sind im gleichen Zusammenhang kürzlich zur Auffassung gelangt, dass die Börsen das deflatorische Szenario in seiner Dauer erheblich unterschätzen. Selbst die in Vorbereitung befindliche Zinswende nach oben bedeute noch lange nicht den Beginn einer Hochzinsphase.

Gestärkt durch die Erfahrungen der zurückliegenden Jahre sprechen die deflatorischen Rahmenbedingungen, wie sie jetzt von einigen internationalen Experten längerfristig erwartet werden, eindeutig gegen das zinsorientierte Sparen, sondern für die Aktienanlage. Voraussetzung ist allerdings, dass ein Rückfall in eine Rezession vermieden werden kann – Japan lässt grüßen!

Musterbeispiel für eine wenig bekannte Champions-Aktie

Dieser komplexe Hintergrund, der also über zyklische Entwicklungen hinausreicht, fördert die Bevorzugung von Aktien finanz- und ertragsstarker Unternehmen mit einer besonders soliden Marktstellung. Dazu heute ein Beispiel aus der Liste der 100 Champions-Aktien von „boerse.de-Aktienbrief“. Je besser der Winter ist, desto mehr freuen sich natürlich alle Ski- und Snowboardfahrer. Aber auch für Hersteller von Wintersportartikeln ist die Qualität eines Winters wichtig für den Geschäftsverlauf. Umso besser, wenn man Unternehmen auf viele verschiedene Pferde setzen und so saisonale Effekte gänzlich ausblenden kann. Ein Paradebeispiel für diese unternehmensinterne Diversifikation ist der in Deutschland wenig bekannte US-Textilkonzern V.F. Corp., dessen Aktie vom Börsenverlag soeben wieder außerordentlich positiv analysiert worden ist.

Machen Sie langfristig weiter mit – und machen Sie’s gut!