09.06.16
Es gibt nichts Neues
– das gibt’s an den Finanzmärkten eigentlich nicht, denn irgend
etwas geschieht und verändert sich immer, auch wenn es „nur“ die
Kurse sind. Was Handel und Anleger jetzt aber erkennen müssen, ist
einerseits das Fehlen neuer Impulse, andererseits das lähmende
Gewicht des nahenden britischen Referendums am 23. Juni. Wie die
vorübergehenden Kurssprünge als Reaktion auf die jüngsten
Äußerungen der amerikanischen Notenbank-Chefin auch gezeigt haben,
ist die Unberechenbarkeit von kurzfristigen Kursentwicklungen. Diese
können durch das Herdenverhalten der großen, marktbestimmenden
Investoren durchaus heftig ausfallen, verpuffen aber wenig später
schon wieder. Ich rate vorsichtigen Anlegern unverändert dazu, das
„Brexit“-Ergebnis abzuwarten, bevor die eigene Strategie auf den
Prüfstand gestellt wird.
Bemerkenswert ist
seit Wochenmitte neben der anhaltend festen Verfassung der Ölmärkte
das Geschehen bei den Staatsanleihen. Die Deutsche Bank spricht von
„Planwirtschaft“ am Rentenmarkt, denn seit gestern kauft die EZB
auch Unternehmensanleihen aus der Eurozone – die Preisfindung über
den Markt ist de facto eingestellt. Die Verzinsung von Firmenbonds
ist unter Druck, was auch auf Staatsanleihen ausstrahlt. Für
zehnjährige deutsche Papiere fiel die Rendite gestern zeitweise auf
ein Allzeittief von 0,033 Prozent. Das wundert wenig, hat die EZB
doch 2016 bereits 85 Prozent mehr Staatsanleihen erworben, als neu
auf den Markt kamen. Die starke Performance von Bonds könnte noch
eine Weile andauern.
Fundamental, also
mit Blick auf Konjunktur- und Unternehmensmeldungen, gibt es nach
wie vor keinen einheitlichen Trend. Beispiel Asien: Gestern kam aus
China wieder einmal Enttäuschendes (Export flau), während Japan mit
Positivem aufwartete (Konsum gute Konjunkturstütze). Die Weltbank
hat ihre Prognose für das globale Wachstum deutlich gesenkt. Ein
Grund sind die weltweit niedrigen Investitionen. Diese können aber
auch strukturelle Ursachen haben. In den USA etwa kappen derzeit
Energie-, Industrie- und Technologieunternehmen – verantwortlich
für zwei Drittel der Gesamtausgaben – ihre Investitionen. Die
einen wegen des Ölpreisschocks, die anderen, weil
IT-Basisinnovationen auslaufen. Die US-Investitionen dürften sich
vorerst nur leicht auf niedrigem Niveau erholen, vermuten Analysten,
die darin auch einen Grund für das aktuelle Anlegerverhalten sehen:
Aus Furcht vor einem schwächeren Wachstum der Weltwirtschaft sind
europäische Aktienanleger am Mittwoch in „sichere Häfen"
geflüchtet (Staatsanleihen).
Der Dax, der sich
zunächst unverändert gut hielt, ist heute zum Handelsbeginn tiefer
in die Knie gegangen und unter die Marke 10.100 gesunken, was Händler
vor allem mit dem festen Euro begründeten (Argument: schlecht für
Exportwirtschaft). Aber Sie wissen ja, geschätzte Leser, dass ich
von derart kurzfristigen Wechselkursbetrachtungen nichts halte –
bis vor kurzem war der Euro noch deutlich schwächer, ohne gleich
lauten Jubel auszulösen. Wir sollen uns bei steigenden Zinsen in den
USA aber auf einen eher festen Dollar einstellen.
Wie war die
Wochenbilanz per Mittwoch der Frankfurter Stimmungsanalysten? 4
Prozent der institutionellen und stolze 15 Prozent der privaten
Anleger sind long gegangen. Zudem haben 8 Prozent der Profis bzw. 10
Prozent der Privaten ihre Short-Engagements geschlossen. Das hebt die
Sentiment-Indizes der beiden Anlegergruppen von +8 auf +20 Punkte
bzw. von +1 sogar auf +26 Punkte. Der mit der Sentiment-Erhebung
beauftragte Verhaltensökonom Joachim Goldberg sieht die
„Kaufmunition" der vergangenen Woche im Wesentlichen als
verschossen an. Es fehle das langfristig orientierte Kapital aus dem
Ausland für den entscheidenden Schub. Dennoch sei der Markt
stimmungstechnisch in keiner schlechten Verfassung.
Aktuelles am Rande:
Gerade einmal 7,6 Prozent der Privatanleger in Deutschland vertreten
die Auffassung, dass Finanzprodukte, die speziell für sportliche
Großereignisse (z.B. Fußball-EM) aufgelegt werden, als
Investmentidee durchaus für ein temporäres Engagement interessant
sein können. 85 Prozent der Umfrage-Teilnehmer finden solche
Angebote im Rahmen ihrer eigenen Portfolioallokation gänzlich
uninteressant. Für die restlichen 7,4 Prozent sind derartige
Finanzprodukte zwar grundsätzlich interessant, sie lassen sich aber
nicht mit den eigenen langfristigen Anlagekonzepten vereinen. Das
sind die Kernaussagen der Trend-Umfrage des Deutschen Derivate
Verbands (DDV) im Juni.
Neu:
„Aktien-Teams für Gewinner“
Keine neuen
Produkte, aber Tipps zur Taktik hat Jochen Appeltauer, Chefredakteur
des „börese.de-Aktienbrief“ für Sie im Angebot. Dazu schreibt
er: Grundsätzlich gibt es natürlich tausende Möglichkeiten, wie
mit unseren 100 Champions-Aktien Depots zusammengestellt werden, die
zur persönlichen Risikoneigung passen. Dabei empfiehlt es sich, auch
bei diesen Qualitätswerten, das Kapital über verschiedene Branchen,
Währungsräume und Länder zu streuen. Eine ausführliche
Taktik-Anleitung gibt es dazu im neuen Aktienbrief, der soeben
erschienen ist. Sie erfahren hier, wie eine mögliche Depotaufteilung
in der Praxis aussehen kann und welche Champions beispielsweise
zusammen ein gut diversifiziertes Portfolio ergeben. Als ganz
besonderes Schmankerl haben wir pünktlich zum EM-Auftakt zudem einen
neuen Sonderreport erstellt. Unter dem Titel „Aktien-Teams für
Gewinner“ präsentieren Ihnen darin unsere Fachredakteure sowie die
Teams von boerse.de und vom BCDI ihre ganz persönlichen
Anlagefavoriten in Form von Mannschaftsaufstellungen.
Machen Sie also
weiter mit – und machen Sie’s gut!