Aktienmärkte: Sind die Anleger wirklich zu sorglos?

24.01.18

Die Aktienkurse klettern mit Pausen auf immer neue Rekordhöhen – immer mehr Ökonomen und Banker verbreiten deshalb Warnungen vor Übertreibungen der Märkte. Dementsprechend werden die Anleger mit seltenen Widersprüchen durch die Medien konfrontiert. Ich empfehle Ihnen, geschätzte Leser, unverändert Gelassenheit. Denn von überschäumender Euphorie an den Börsen kann keine Rede sein. Und als fortgeschrittene Anleger wissen Sie sicher, mit den grundsätzlichen und aktuellen Risiken umzugehen.




Zugegeben, man kann den Eindruck von Sorglosigkeit der Marktteilnehmer gewinnen. Das bestätigen gerade heute die Stimmungsanalysten von Sentix mit ihrer Feststellung „Risikoneigung bei Aktien erreicht Allzeithoch“. Die Anleger zeigen eine noch nie dagewesene Risikofreude bei ihren Aktien-Engagements. Damit sind weniger die in Summe gehaltenen Aktienbestände gemeint, sondern die präferierten Anlagethemen und -stile. Vor allem Aktien in den Emerging Markets stehen bei Investoren hoch im Kurs. Des Weiteren sehen Investoren IPOs zunehmend als chancenreiche Investitionsmöglichkeit an. Hinzu kommt, dass Anleger mehr und mehr prozyklisch agieren.


Im Einzelnen: Der Sentix Styles Index „Risikoneigung bei Aktien“ zeigt, wie hoch die Bereitschaft von Investoren ist, Risiken am Aktienmarkt einzugehen. Die Risikobereitschaft leitet sich dabei nicht nur aus der Höhe ihres Aktien-Engagements ab, sondern auch aus den präferierten Anlagesegmenten und Anlagepräferenzen. Die aktuelle Umfrage zeigt, dass die Risikoneigung deutlich gestiegen ist. Der Index erreicht ein neues Allzeithoch in der seit 2004 bestehenden Historie. Investoren erhöhen ihre Risikobereitschaft, indem sie vermehrt Neuemissionen zeichnen, den Aktienanteil von Emerging Marktes ausbauen und ihren Fokus weg von Dividenden hin zu Kursgewinnen richten. Auch eine prozyklische Handlungsabsicht – also in Richtung des vorherrschenden Trends – wird mehr und mehr unter den Anlegern als präferierten Vorgehensweise angegeben. In Summe nimmt die Risikofreude weiter zu.


Was heißt das? Solch hohe Risikobereitschaft war nach Darstellung von Sentix in der Vergangenheit oftmals ein Vorbote für nahende Korrekturen oder sogar Trendwenden. Immer mehr Notenbanken beabsichtigen aufgrund der guten Konjunktur ihren expansiven Kurs zu verlassen. Dies dürfte für mehr Volatilität an den Märkten sorgen.


Andererseits bleibt das weltwirtschaftliche Fundament der Börsen außerordentlich solide, ohne dass sich hier eine Eintrübung des Bilds abzeichnen würde. Beispiel: Die Kauflaune im Euro-Raum hat sich zu Jahresbeginn überraschend deutlich aufgehellt. Das Barometer für das Verbrauchervertrauen stieg im Januar zum Vormonat um 0,8 auf plus 1,3 Punkte, wie aus von der EU-Kommission veröffentlichten Daten hervorgeht. Von Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich mit einem leichten Anstieg auf 0,6 Zähler gerechnet. Die Konjunktur in der Euro-Zone hat nach mauen Jahren mittlerweile Fahrt aufgenommen, was sich auch in einer niedrigeren Arbeitslosenzahl und der zusehends besseren Konsumstimmung bemerkbar macht.


Außerdem: Das Barometer für die Konjunkturerwartungen im kommenden halben Jahr ist im Januar überraschend kräftig um 3,0 auf 20,4 Punkte, wie das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zu seiner monatlichen Umfrage unter 212 Analysten und Anlegern mitteilt. Das ist der beste Wert seit Mai 2017. Von Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit 17,8 Zählern gerechnet. Die momentane Lage wird sogar so positiv bewertet wie noch nie seit Beginn der Umfrage 1991, obwohl Deutschland auch vier Monate nach der Bundestagswahl noch ohne neue Regierung dasteht. „Die aktuellen Umfrageergebnisse zeigen für Deutschland einen optimistischen Ausblick für das erste Halbjahr 2018”, sagte ZEW-Präsident Achim Wambach. Ergänzt der Chefvolkswirt einer internationalen Bank: „Die konjunkturelle Situation ist hervorragend, selbst der starke Euro wird nicht zum Stimmungskiller.”


Doch werden die Widersprüche lauter. Trotz des weltweiten Booms der Wirtschaft machten sich führende Vertreter der Finanzbranche zu Beginn des Weltwirtschaftsforums in Davos Gedanken über eine neue Finanzkrise. Wenn Leute zu selbstzufrieden sind, sollte man nervös werden, betonte ein Prominenter. verantwortlich. Und ein amerikanischer Banker meinte nachdenklich: „Wir wissen nicht, was passiert, wenn die Zinsen steigen." Hier und da sind sogar Crash-Warnungen zu hören. Manchem Vordenker wird langsam unheimlich, dass wir gerade einen der längsten Zeiträume ohne eine deutliche Korrektur erleben, die Kurse haben selten so wenig geschwankt. Dem steht aber auch die historisch einmalige Nahe-Null-Zinsphase gegenüber. Und deren Ende ist auch nicht abzusehen.

Nein, ich glaube nicht, dass die Mehrheit der Anleger zu sorglos agiert. Ich rate nach wie vor, gelassen zu bleiben – aber wachsam!


Machen Sie also weiter mit – und machen Sie’s gut!