Auf die Stärke von USA und China setzen

 10.07.22

Ähnlich wie viele Analysten und Fondsmanager versuche ich seit etlichen Wochen vergeblich, eine klare Linie – sprich: einen klaren Trend zu erkennen. Volatilität beherrscht Stimmungs- und Kursentwicklung. Das schreckt insbesondere private Anleger ab. Aber auch die Institutionellen bauen einige Bestände an Anleihen, Aktien und Kryptos ab. Börse macht keinen Spaß mehr, doch wird sich das wieder ändern. Irgendwann, mit Sicherheit. Nur ist momentan noch völlig offen, wann der Zeitpunkt für den Wiederaufschwung kommen wird. Wie wird die Welt nach der inzwischen viel zitierten „Zeitenwende“ aussehen? Schließlich geht es um Krieg (und seine Folgen), Energiekrise, Lebensmittelknappheit, historisch hohe Inflation und drohende Rezession. Damit verbinden sich auch geopolitische Sorgen. Das sind zu viele zu schwerwiegende Fragezeichen. Und die verhindern Klarsicht für Sie, geschätzte Anleger.

Internationale Großanleger sind weiter dabei, ihre Investments anzupassen. Dabei spielt die Liquiditätshaltung eine zunehmende Rolle. Andererseits wird auch eine verstärkte Diversifizierung eingeleitet. Privatanleger können das nur zum Teil nachvollziehen, denn der wiederentdeckte Rentenmarkt ist in meinen Augen nach wie vor keine echte Alternative zur (langfristigen!) Aktienanlage. Auffallend ist das wieder breiter werdende Interesse an den Emerging Markets, in erster Linie an China. Überwiegend positiv wird auch die Wall Street gesehen, während für Europa kurz- bis mittelfristig wenig Hoffnung besteht. Führende schweizerische Strategen bleiben taktisch (= kurzfristig) übergewichtet in Hartwährungsanleihen von Schwellenländern. Auch globale Aktien werden taktisch weiterhin übergewichtet, während Staatsanleihen aus Industrieländern auf neutralem Niveau verbleiben.

Unterm Strich wachsen die Konjunktursorgen der Profis merklich, wobei oft die These vertreten wird, dass trotz Wachstumsabschwächung eine Rezession noch nicht sicher sei. Schweizer Banker räumen ein, dass das Rezessionsrisiko gestiegen ist: Die Konjunkturindikatoren haben sich in den USA und Europa aufgrund der Verschärfung des Finanzumfelds abgeschwächt, wie etwa im zinssensiblen US-Immobilienmarkt. Die steigenden Energie- und Nahrungsmittelpreise schmälern das reale verfügbare Einkommen und drücken weltweit auf die Konsumstimmung. Dennoch – und obwohl die Wachstumsprognosen für die USA und Europa gesenkt wurden – bleibt eine Rezession in den nächsten zwölf Monaten zwar ein Risiko, entspricht aber nicht dem Basisszenario. China verbleibt auf einem anderen Wachstumskurs, da die Lockerung der Covid-19-Massnahmen eine Konjunkturerholung angestoßen hat, die nun durch einen umfangreichen geldpolitischen Stimulus zusätzlich verstärkt wird. Empfohlen wird deshalb ein „moderates Aktienübergewicht“ in den Portfolios, umgesetzt durch eine Übergewichtung von US- und chinesischen Aktien. Die einsetzende Erholung in China sollte die Gewinne, und damit eine anhaltende Markterholung, unterstützen. Der US-Markt verfügt über einen hohen Anteil an Technologieaktien, von denen Anleger fundamental solide Titel in Erwägung ziehen sollten, die nach den willkürlichen Verkäufen während des Rückgangs attraktiv bewertet sind. Eurozonen-Aktien haben einige Investment-Manager auf eine taktische Untergewichtung reduziert – dies wegen ihrer größeren Anfälligkeit bei einer konjunkturellen Abkühlung bzw. der Nähe zum Kriegsgeschehen in der Ukraine.